„Danke, ich danke euch liebe Freunde, von tiefstem Herzen, für so einen liebevollen und lebendigen Empfang, und danke Ihnen, Mr. Präsident, für Ihre nette Einladung, welche ich ehrenvoll angenommen habe. Außerdem möchte ich mich bei Shmuley bedanken. Er diente hier in Oxford 11 Jahre lang als Rabbi. Du und ich, wir haben so hart gearbeitet, um ’Heal the Kids’ zu entwickeln, ebenso um unser Buch über ’kindliche Qualitäten’ zu schreiben. Bei all unseren Bemühungen warst du so ein unterstützender und liebevoller Freund. Und ich möchte ebenfalls Toba Friedman, unserer Organisatorin von ’Heal the Kids’, danken, die heute Abend zur Universität zurückkehrt, bei welcher sie als eine hohe Gelehrte arbeitete, wie Marilyn Piels, ein anderes zentrales Mitglied unseres ’Heal the Kids’ – Teams. Ich komme mir klein und un bedeutend vor, wenn ich eine Rede an einem Ort halte, an dem bereits bedeutende Personen wie Mutter Theresa, Albert Einstein, Ronald Reagan, Robert Kennedy und Malcolm X standen. Ich habe sogar gehört, dass Kermit der Frosch hier aufgetaucht ist, und ich habe schon immer eine geistliche Verwandtschaft zu seiner Message, dass es nicht leicht ist, grün zu sein, gespürt. Ich bin mir sicher, dass er es nicht irgendwie einfacher als ich gefunden hat, hier oben zu stehen. Als ich mich heute in Oxford umgesehen habe, konnte ich mir nicht helfen, doch ich bin mir der Würde und Größe dieser großartigen Institution bewusst, ganz zu schweigen von der Brillianz der beeindruckenden und begnadeten Geister, welche jahrhundertelang durch die Straßen geisterten. In den Wänden von Oxford haben nicht nur die größten philosophischen und wissenschaftlichen Genies gehaust – sie haben auch einige der am meisten geschätzten Kinderbuchautoren weitergebracht, von JRR Tolkien bis zu CS Lewis. Heute durfte ich in die Speisehalle der ’Christ Church‘ humpeln, um Lewis Carrolls Alice im Wunderland, verewigt in den farbigen Glasfenstern, zu sehen. Und sogar einer meiner amerikanischen Mitmenschen, der liebenswerte Dr. Seuss, ehrte diese Hallen und hinterließ darauf seine Spuren in den Fantasien von Millionen von Kindern, weltweit. Ich glaube, ich sollte anfangen, meine Qualifikationen heute Abend vor euch aufzulisten. Freunde, ich behaupte nicht, die akademischen Fachkenntnisse der anderen Sprecher, die bereits in diesen Hallen vorgetragen haben, zu besitzen, genauso wenig wie diese wohl sagen könnten, ein Meister des Moonwalk zu sein – und Sie wissen ja, besonders Einstein war darin wirklich schlecht. Jedoch kann ich behaupten, schon mehr Orte und Kulturen erlebt zu haben, als die meisten Leute jemals sehen werden. Das menschliche Wissen besteht nicht nur aus Büchereien von Pergament und Tinte - es umfasst ebenso das Volumen von Wissen, das in den Herzen der Menschen niedergeschrieben, in menschliche Seele gemeißelt und in die menschliche Psyche eingraviert ist. Und Freunde, ich bin schon so vielem in diesem relativ kurzem Leben begegnet, dass ich immer noch nicht glauben kann, erst 42 Jahre alt zu sein. Ich erzähle Shmuley oft, dass ich mir sicher bin, umgerechnet in ’Seelen-Jahren‘, mindestens 80 Jahre zu sein – und heute Abend laufe ich sogar wie ein 80-jähriger. Deswegen lauscht meiner Botschaft, denn was ich euch heute Abend zu sagen habe, kann sowohl der Menschheit Heilung bringen, als auch unserem Planeten.
Durch Gottes Gnaden habe ich das Glück gehabt, zu erreichen, dass viele meiner künstlerischen und professionellen Bestrebungen schon in meinen frühen Lebensjahren umgesetzt werden konnten. Aber dies, meine Freunde, sind Leistungen, und Leistungen allein sind nicht gleichbedeutend mit meiner Person. Tatsächlich lässt der fröhliche 5jährige, welcher Rockin‘ Robin und Ben vor bewundernden Mengen gesungen hat, nicht darauf schließen, wer der Junge hinter diesem Lachen wirklich war. Heute Abend trete ich vor euch, weniger als eine Ikone des Pop (was auch immer das bedeuten mag), sondern viel mehr als eine Ikone einer Generation, einer Generation, die nicht mehr weiß, was es bedeutet, Kind zu sein. Alle von uns sind die Produkte ihrer Kindheit. Doch ich bin das Produkt eines Mangels an Kindheit, eines Fehlens dieses wertvollen und wunderbaren Alters, wenn wir spielend und sorglos durch die Welt toben, sich in der Bewunderung von Eltern und Verwandten aalend, wobei unsere größte Sorge ist, für dieses große Diktat kommenden Montag Morgen zu üben. Diejenigen von euch, die ’Jackson 5’ kennen, wissen, dass ich bereits im zarten Alter von fünf Jahren meine ersten Auftritte hatte, und dass ich seitdem nicht mehr aufgehört habe zu singen und zu tanzen. Aber auch wenn das Auftreten und Musikmachen sicherlich meinen größten Freuden bleiben werden, wollte ich als Kind, mehr als alles andere, ein gewöhnlicher kleiner Junge sein. Ich wollte Baumhäuser bauen, Wasserballon-Schlachten haben und Verstecken-und-Suchen mit meinen Freunden spielen. Aber das Schicksal wollte es anders, und alles, was ich tun konnte, war, das Lachen und Spielen, das sich überall um mich herum befand, zu beneiden. Es gab keine Unterbrechung meines Berufslebens. Doch sonntags wollte ich ’Pionierarbeit’ leisten, dieser Ausdruck steht für die Missionarsarbeit der Zeugen Jehovas. Und dadurch war ich fähig, die Magie der Kindheit von anderen Leuten zu sehen. Da ich bereits berühmt war, musste ich mich in Form eines dicken Anzuges verkleiden: Perücke, Bart und Brille, und wir verbrachten den Tag in den Vororten von ’Southern California‘, gingen von Tür zu Tür oder durchstöberten die Einkaufszentren und verteilten das Magazin ’Wachturm‘. Ich habe es geliebt, meinen Fuß in normale Haushalte, die sich in den Vororten befanden, zu setzen und die franzigen Läufer auf dem Fußboden, bzw. Lehnstühle zu betrachten, auf denen Kinder saßen, die Monopoly spielten und Großmütter, die Babys sitteten und all diese wundervollen, gewöhnlichen und romantischen Szenen des Alltagslebens. Ich weiß, dass viele der Meinung sind, dass solche Dinge keine große Sache sind. Aber ich fand sie einfach anziehend. Ich dachte die ganze Zeit, dass ich der einzige sei, der sich so fühlte, als ob er keine Kindheit gehabt hätte. Ich war der Ansicht, dass es wohl nur eine handvoll von Menschen gibt, mit denen ich diese Gefühle teilen konnte. Als ich neulich Shirley Temple Black traf, den großen Kinderstar der 30er und 40er Jahre, redeten wir erst gar nicht miteinander, wir haben einfach nur um die Wette geweint, denn sie konnte einen Schmerz mit mir teilen, den sonst nur meine engen Freunde Elizabeth Taylor und McCauley Culkin kennen. Ich erzähle euch das nicht, um eure Sympathien zu gewinnen, sondern um auf meinen ersten wichtigen Punkt zu kommen: Es sind nicht nur Kinderstars aus Hollywood, die unter einer nicht-existenten Kindheit gelitten haben. Heute ist es ein universelles Elend, eine globale Katastrophe. Die Kindheit ist der große Verlust des modernen Lebens geworden. Überall um uns herum zeugen wir Dutzende von Kindern, die nicht die Freude gehabt haben, denen nicht das Recht zuerkannt wurde und denen nicht die Freiheit oder das Wissen gewährt wurde, wie es ist, ein Kind zu sein. Heute werden Kinder ständig ermutigt, schneller erwachsen zu werden, so, als ob diese Periode, bekannt als Kindheit, ein lästiges Stadium ist, das ertragen und möglichst schnell durchlebt werden muss. Und bei diesem Thema bin ich gewiss einer größten Experten hier auf Erden.
Unsere Generation ist Zeuge der Abschaffung des ’Eltern-Kind-Vertrages‘ geworden. Psychologen veröffentlichen Bibliotheken von Büchern, welche detailliert die destruktiven Auswirkungen beschreiben, zu denen es kommt, wenn man seinen Kindern die bedingungslose Liebe vorenthält, welche für die gesunde Entwicklung ihres Verstandes und Charakters dringend notwendig ist. Und wegen all dieser Vernachlässigungen müssen sich viel zu viele unserer Kinder hauptsächlich selbst erziehen. Sie wachsen distanzierter zu ihren Eltern, Großeltern und anderen Familienmitgliedern auf, weil sich überall um uns herum das unzerstörbare Band, das einst die Generationen zusammenhielt, auflöst. Dieser Bruch schuf eine neue Generation – lasst sie uns Generation O nennen – die jetzt die Fackel der Generation X übernimmt. Das O steht für eine Generation, welche äußerlich alles hat, Reichtum, Erfolg, modische Kleidung und tolle Autos, aber eine schmerzende Leere im Inneren trägt. Dieser Hohlraum in unserer Brust, diese Unfruchtbarkeit in unserem Innersten, diese Leere in unserem Zentrum ist der Ort, an dem das Herz einst geschlagen hat und der einst von Liebe besetzt war. Und es sind nicht nur die Kinder, die leiden. Es sind ebenso die Eltern. Je mehr wir kleine Erwachsene in den Körpern unserer Kinder heranzüchten, desto mehr entfernen wir uns selbst von unseren eigenen kindlichen Qualitäten, und dabei hat wirklich vieles in der Kindheit den Wert, im Erwachsenenleben erhalten zu bleiben. Die Liebe, meine Damen und Herren, ist das wertvollste Erbe der menschlichen Familie, das reichste Vermächtnis, eine goldene Hinterlassenschaft. Und es ist ebenso ein Schatz, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Vorherige Generationen besaßen möglicherweise den Reichtum, den wir genießen können. In ihren Häusern mag es keine Elektrizität gegeben haben, und sie quetschten all ihre vielen Kinder in kleine Häuser ohne Zentralheizung. Aber in diesen Häusern gab es keine Dunkelheit, und sie waren nicht kalt. Sie waren hell erleuchtet mit dem Schein der Liebe und gemütlich angewärmt von der Wärme des menschlichen Herzens. Eltern, die von der Gier nach Reichtum und Status unbeeinflusst waren, gaben ihren Kindern Vorrang in ihrem Leben. Wie ihr alle wisst, sind unsere beiden Länder auseinandergebrochen, aus einem Grund, den Thomas Jefferson als ’gewisse unveräußerliche Rechte‘ bezeichnete. Und während wir Amerikaner und Briten über die Gerechtigkeit dieser Annahmen gestritten haben, kam dabei niemals zur Sprache, dass auch Kinder bestimmte unveräußerliche Rechte haben, und dass die steigende Erosion dieser Rechte dazu geführt hat, dass weltweit Kindern die Freuden und Sicherheiten der Kindheit verweigert werden.
Ich würde heute vorschlagen, dass wir in jedem Heim eine universelle ’Kinderrechts-Liste‘ aufhängen, deren Inhalte sind:
1. Das Recht geliebt zu werden, ohne es sich verdienen zu müssen.
2. Das Recht beschützt zu werden, ohne es zu benötigen.
3. Das Recht, sich wertvoll zu fühlen, auch wenn man mit nichts in die Welt gekommen ist.
4. Das Recht, dass einem zugehört wird, ohne dass man interessant sein muss.
5. Das Recht, eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen zu bekommen, ohne mit den Abendnachrichten konkurrieren zu müssen.
6. Das Recht auf Erziehung und Unterricht, ohne dabei in der Schule Gewehrkugeln ausweichen zu müssen.
7. Das Recht, als bewundernswert angesehen zu werden (, auch wenn man ein Gesicht hat, das nur eine Mutter lieben kann).
Freunde, die Basis alles menschlichen Wissens, der Beginn des menschlichen Bewusstseins, muss sein, dass jeder, jeder einzelne von uns ein Objekt der Liebe ist. Schon bevor man weiß, ob man nun rotes oder braunes Haar hat, bevor man weiß ob man schwarz oder weiß ist, bevor man weiß, was für einer Religion man angehört, muss man wissen, dass man geliebt wird.
Vor etwa 12 Jahren, als ich gerade begonn, meine Bad-Tour zu starten, kam ein kleiner Junge mit seinen Eltern, um mich zu Hause in Kalifornien zu besuchen. Er würde an Krebs sterben, und er sagte mir, wie sehr er meine Musik und mich liebte. Seine Eltern erzählten mir, dass er nicht überleben würde, dass er jeden Tag sterben könnte, und ich sagte zu ihm: „Schau, ich werde in deine Heimatstadt nach Kansas kommen, um dort in 3 Monaten meine Tour zu eröffnen. Ich will, dass du zu der Show kommst. Ich werde dir diese Jacke von mir schenken, die ich in einem meiner Videos getragen habe.“ Seine Augen leuchteten auf und er sagte: „Du wirst sie mir schenken?!“ Ich sagte: „Ja, aber du musst mir versprechen, dass du sie bei der Show tragen wirst.“ Ich wollte, dass er durchhält. Ich sagte: „Wenn du zu der Show kommst, will ich dich in dieser Jacke und diesem Handschuh sehen“, und ich gab ihm außerdem einen meiner mit Bergkristallen besetzten Handschuhe - und normalerweise gebe ich solche Handschuhe niemals weg. Und er war wie im Himmel. Aber vielleicht war er dem Himmel wirklich schon zu nahe, denn als ich in seine Stadt kam, war er bereits gestorben, und sie hatten ihn in dem Handschuh und der Jacke begraben. Er war erst 10 Jahre alt. Gott weiß, und ich weiß, dass er sein Bestes gab, um durchzuhalten. Aber zumindest wusste er, als er starb, dass er geliebt wurde, nicht nur von seinen Eltern, sondern auch von mir, einem ’nahen Fremden‘, ich liebte ihn auch. Und mit all dieser Liebe wusste er, dass er nicht allein auf diese Welt kam, und sicherlich verließ er sie auch nicht einsam. Wenn man diese Welt in dem Wissen betritt, geliebt zu sein und sie mit dem selben Wissen wieder verlässt, dann kann man auch mit allem, was dazwischen liegt, zurechtkommen. Ein Professor mag euch erniedrigen, aber ihr werdet euch nicht erniedrigt fühlen, euer Chef mag euch unterdrücken, aber ihr werdet nicht unterdrückt sein, ein körperlicher Gegner mag euch bezwingen, aber dennoch werden Sie triumphieren. Wie könnte einer von ihnen wirklich die Oberhand gewinnen und euch unterkriegen? Denn ihr wisst, dass ihr ein Objekt seid, das der Liebe wert ist. Der Rest ist doch nur Verpackung. Doch wenn man diese Erinnerung, geliebt zu werden, nicht hat, ist man verdammt, die Welt nach etwas abzusuchen, um sich selbst auszufüllen. Aber egal, wieviel Geld man verdient oder wie berühmt man wird, man wird sich stets leer fühlen. Das, wonach man eigentlich sucht, ist diese unbedingte Liebe, bedingungslose Akzeptanz. Und das war das eine, was einem bei seiner Geburt aberkannt worden ist. Lasst mich ein Bild für euch skizzieren.
Es ist ein typischer Tag in Amerika: Sechs junge Menschen unter 20 werden Selbstmord begehen, 12 Kinder werden durch Schusswaffen sterben – bitte denkt daran, es ist ein TAG, kein Jahr - 399 Kinder werden wegen Drogenmissbrauches verhaftet, 1352 Babys werden von jugendlichen Müttern geboren. Dies geschieht in einem der reichsten und am weitesten entwickelten Ländern in der Geschichte der Welt. Ja, in meinem Land gibt es eine Epidemie der Gewalt, die keiner anderen Industrienation gleicht. Das sind die Wege, in denen junge Menschen in Amerika ihren Schmerz und ihre Wut ausdrücken. Aber denkt nicht, es gäbe den gleichen Schmerz und Zorn bei ihren Altersgenossen im Vereinigten Königreich. Studien in diesem Land zeigen, dass sich in jeder Stunde drei Teenager in den UK selbst Schaden zufügen, oft indem sie sich selbst schneiden oder sich verbrennen oder Überdosen nehmen. Das ist der Weg, den sie sich ausgesucht haben, um mit dem Schmerz der Vernachlässigung und den emotionalen Todesqualen zurechtzukommen. In Britannien setzen sich 20% der Familien nur einmal im Jahr zusammen, um gemeinsam Abend zu essen. Einmal im Jahr! Und was ist mit der althergebrachten Tradition, Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen? Untersuchungen aus den 80ern zeigen, dass Kinder, denen vorgelesen wird, eine viel größere sprachliche Fähigkeit entwickelten und ihre Mitschüler in der Schule bemerkenswert übertrafen. Und dennoch werden weniger als 33% der britischen Kinder im Alter von 2 bis 8 Jahren regelmäßig eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Vielleicht denkt ihr euch nicht viel dabei, ehe ihr beachtet, dass noch 75% ihrer Eltern Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen bekamen, als sie im selben Alter waren. Gewiss müssen wir uns nicht fragen, woher all dieser Schmerz, Zorn und das gewalttätige Verhalten kommt. Es erklärt sich von selbst, dass Kinder gegen diese Vernachlässigung prallen, dass sie sich gegen diese Gleichgültigkeit auflehnen und dass sie laut aufschreien, nur, um beachtet zu werden. Die verschiedenen Kinderschutzorganisationen in den Vereinigten Staaten sagen, dass in einem durchschnittlichen Jahr Millionen von Kindern Opfer von Misshandlung in Form von Vernachlässigung sind. Ja, Vernachlässigung. In reichen Heimen, privilegierten Heimen, bis zum Dach vollgestopft mit jeder Art von elektronischem Schnickschnack. Heime, in denen die Eltern nach Hause kommen, aber niemals richtig zu Hause sind, weil sie mit den Gedanken immer noch im Büro sind. Und ihre Kinder? Nun, die behelfen sich mit jedem Krümel Emotionalität, den sie bekommen können. Und man bekommt nicht viel vom endlosen Fernsehen, Computerspielen und Videos. Diese harten, kalten Zahlen, die, wie ich finde, einem die Seele zerreißen und den Geist erschüttern, sollten euch zeigen, warum ich so viel meiner Zeit und Ressourcen dazu verwendet habe, unsere neue Initiative ‘Heal the Kids’ zu einem kolossalen Erfolg zu machen. Unser Ziel ist einfach: Das Eltern-Kind-Band wieder zu erschaffen, ihre Versprechen wieder zu erneuern und den Weg zu ebnen für all die wunderbaren Kinder, die dazu bestimmt sind, eines Tages auf dieser Erde zu wandeln.
Aber weil dies meine erste öffentliche Rede ist und ihr mich so warm in euren Herzen begrüßt habt, denke ich, dass ich euch noch mehr erzählen möchte. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte und in diesen können Statistiken persönlich werden. Man sagt, dass Elternsein wie Tanzen ist. Man macht einen Schritt, das Kind macht einen anderen. Ich habe herausgefunden, dass Eltern dazu zu bringen, sich selbst wieder ihren Kindern zu widmen, nur die halbe Sache ist. Die andere Hälfte ist, die Kinder wieder dazu zu bringen, ihre Eltern zu akzeptieren. Ich erinnere mich, dass wir, als ich noch sehr jung war, diesen verrückten Dussel von einem Hund namens ‘Back Girl’ hatten, eine Mischung aus Wolf und Retriever. Sie hatte nicht nur viel von einem Wachhund, sondern war auch ein solch verschrecktes und nervöses Ding, dass es ein Wunder ist, dass sie nicht jedes mal in Ohnmacht gefallen ist, wenn ein Truck vorbei rumpelte oder ein Gewitter über Indiana hinweggefegt ist. Meine Schwester Janet und ich gaben dem Hund so viel Liebe, aber wir konnten diesen Sinn des Vertrauens nie zurückgewinnen, der ihr von ihrem vorigen Besitzer geraubt worden war. Wir wussten, dass er sie oft geschlagen hatte. Wir wussten nicht, mit was. Aber was auch immer es war, es war genug, um das ganze Leben aus diesem Hund zu ziehen. Heute sind viele Kinder wie verletzte Welpen, die sich selbst das Bedürfnis nach Liebe abgewöhnt haben. Sie könnten sich kaum noch weniger für ihre Eltern interessieren. Sich selbst überlassen, halten sie an ihrer Unabhängigkeit fest. Sie sind weiter gegangen und haben ihre Eltern hinter sich gelassen. Dann gibt es noch die viel schlimmeren Fälle von Kindern, die Feindseligkeit und Groll gegen ihre Eltern hegen, so dass jeder Vorschlag, den ihre Eltern machen könnten, ihnen gewalttätig ins Gesicht zurückgeschlagen wird. Heute Abend will ich nicht, dass jemand von uns diesen Fehler macht. Deswegen appelliere ich an all die Kinder dieser Welt – beginnend mit uns allen, die wir heute Abend hier sind – unseren Eltern zu vergeben, wenn wir uns vernachlässigt fühlten. Vergebt ihnen und lehrt sie, wie man wieder liebt.
Ihr wäret wahrscheinlich nicht überrascht zu hören, dass ich keine idyllische Kindheit hatte. Der Stress und die Anspannung, die es in der Beziehung zu meinem eigenen Vater gibt, wurden ausführlich dokumentiert. Mein Vater ist ein strenger Mann, und er drängte mich und meine Brüder schon vom frühsten Alter an unnachgiebig, die besten Künstler zu sein, die wir nur sein konnten. Er hatte große Schwierigkeiten, Liebe zu zeigen. Er hat mir niemals wirklich gesagt, dass er mich liebt. Und er hat mir auch niemals ein Kompliment gemacht. Wenn ich eine großartige Show geliefert hatte, sagte er, dass es eine gute Show war. Und wenn die Show okay war, sagte er mir, das sie lausig gewesen sei. Er schien mehr als alles andere daran interessiert zu sein, aus uns einen kommerziellen Erfolg zu machen. Und darin war er mehr als ein Experte. Mein Vater war ein Manager-Genie, und meine Brüder und ich schulden unseren professionellen Erfolg nicht in geringem Maße auch dem gewaltvollen Weg, den er uns gehen ließ. Er trainierte als Showman, und unter seiner Führung konnte ich keinen Schritt falsch machen. Aber was ich wirklich wollte, war ein Vater. (Michael weint kurz und bittet um ein Taschentuch. Der Rabbi ist ihm behilflich.) Ich wollte einen Vater, der mir seine Liebe zeigt. Und mein Vater hat das nie getan. Er sagte nie ’Ich liebe dich’, während er mir direkt in die Augen sah, er spielte nie mit mir. Er nahm mich nie huckepack, er warf nie Kissen nach mir, oder einen Wasser-Ballon. Aber ich erinnere mich an einmal, als ich gerade etwa vier Jahre alt war, da war dieser kleine Jahrmarkt, und mein Vater hob mich hoch und setzte mich auf ein Pony. Es war nur eine winzige Geste, wahrscheinlich etwas, das er nach fünf Minuten wieder vergaß. Aber wegen diesem kurzen Moment, habe ich diesen speziellen Platz in meinem Herzen für ihn. Denn so sind Kinder nun mal, die kleinen Dinge bedeuten ihnen so viel, und für mich bedeutete dieser eine Moment alles. Ich habe das nur dieses einzige Mal erlebt, aber dadurch fühlte ich mich wirklich gut, in Bezug auf ihn und die Welt. Aber nun bin ich selbst Vater und eines Tages habe ich mir über meine eigenen Kinder, Prince und Paris, Gedanken gemacht und wie ich gerne hätte, was sie von mir denken, wenn sie älter sind. Natürlich hätte ich gerne, dass sie sich daran erinnern, wie ich sie immer bei mir haben wollte, wo auch immer ich hinging, wie ich immer versuchte, sie vor alles andere zu stellen. Aber es gibt auch Herausforderungen in ihrem Leben. Weil meine Kinder ständig von Paparazzi verfolgt werden, können sie nicht immer mit mir in einen Park oder ins Kino gehen. Was ist, wenn sie älter werden und ärgerlich über mich sind und darüber, wie meine Entscheidungen ihre Jugend beeinflusst haben? ‘Warum hatten wir keine gewöhnliche Kindheit wie alle anderen Kinder?’, mögen sie mich fragen. Und in diesem Moment bete ich, dass meine Kinder im Zweifel für mich entscheiden. Dass sie zu sich selbst sagen werden: ’Unser Daddy hat das Beste gemacht, was er konnte, in Anbetracht der einzigartigen Umstände, mit denen er konfrontiert wurde. Er war vielleicht nicht perfekt, aber er war ein warmherziger und anständiger Mann, der versucht hat, uns alle Liebe der Welt zu geben.‘ Ich hoffe, dass sie sich immer auf die positiven Dinge konzentrieren werden, auf die Opfer, die ich bereitwillig für sie gebracht habe und nicht die Dinge kritisieren werden, die sie aufgeben mussten oder die Fehler, die ich machte und sicherlich noch machen werde, während ich sie großziehe. Denn wir sind alle irgend jemandes Kind und wissen, dass trotz der besten Pläne und Anstrengungen Fehler immer auftreten werden. Das ist nur menschlich. Und wenn ich darüber nachdenke wie sehr ich hoffe, dass meine Kinder mich nicht unfreundlich aburteilen und mir Unzulänglichkeiten vergeben, bin ich gezwungen, an meinen eigenen Vater zu denken, und obwohl ich es früher verleugnete, muss ich jetzt zugeben, dass er mich doch geliebt haben muss. Er liebte mich, und ich weiß das. Es gab kleine Anzeichen, die das zeigten. Als ich Kind war, war ich ein echtes Schleckermaul – das waren wir alle. Mein Lieblingsessen waren glasierte Donuts, und mein Vater wusste das. Jedenfalls stand aller paar Wochen auf der Küchenablage eine Tüte voller glasierter Donuts, wenn ich morgens herunter kam, – keine Nachricht, keine Erklärung, nur die Donuts. Es war, als ob der Weihnachtsmann da gewesen wäre. Manchmal dachte ich daran, bis spät in die Nacht aufzubleiben, so dass ich sehen konnte, wie er sie dort hinlegte, aber wie beim Weihnachtsmann wollte ich nicht die Magie zerstören, aus Angst, dass er es nie wieder tun würde. Mein Vater musste sie heimlich in der Nacht dort hinlegen, damit niemand ihn ohne seinen Schutz ertappen konnte.
Er hatte Angst vor menschlichen Emotionen, er verstand sie nicht oder wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Aber er kannte Donuts. Und wenn ich es zulasse, dass sich die ’Schleusentore’ öffnen, gibt es auch noch andere Erinnerungen, die zu mir zurückströmen, Erinnerungen an andere winzige Gesten, wenn auch nicht perfekt, die mir zeigten, dass er tat, was er konnte. Also will ich mich heute Abend lieber nicht auf das konzentrieren, was mein Vater nicht getan hat, sondern auf all die Dinge, die er getan hat und auf seine eigenen persönlichen Herausforderungen. Ich will aufhören, ihn zu verurteilen. Ich habe begonnen, mir Gedanken darüber zu machen, dass mein Vater im Süden aufgewachsen ist, in einer sehr armen Familie. Er wuchs während der großen Depression heran, und sein eigener Vater, der kämpfte, um seine Kinder zu ernähren, zeigte nur wenig Zuneigung gegenüber seiner Familie und erzog meinen Vater und seine Verwandten mit eiserner Hand. Wer könnte sich vorstellen, wie es war, als armer Schwarzer im Süden heranzuwachsen, aller Würde beraubt, ohne Hoffnung, kämpfend, ein Mann zu werden in einer Welt, die meinen Vater als Untergeordneten ansah. Ich war der erste schwarze Künstler, der auf MTV gespielt wurde, und ich erinnere mich, was für eine riesige Sache das sogar damals noch war. Und das war in den 80er Jahren! Mein Vater zog nach Indiana und hatte selbst eine große Familie. Er arbeitete viele Stunden in den Stahlwerken, eine Arbeit, die die Lungen zerstört und das Gemüt demütigt, alles, um seine Familie zu unterstützen. Ist es denn ein Wunder, dass er es schwer gefunden hat, seine Gefühle zu offenbaren? Ist irgendein Geheimnis dabei, dass er sein Herz gehärtet hat, dass er emotionale Barrieren aufgebaut hat? Und vor allem, ist es denn ein Wunder, dass er seine Söhne so hart zum Erfolg als Künstler gedrängt hat, damit sie vor dem bewahrt blieben, was er als ein Leben voller Unwürde und Armut kannte? Ich habe begonnen zu sehen, dass sogar meines Vaters Härte eine Art Liebe war, eine unperfekte Liebe sicherlich, aber nichtsdestotrotz Liebe. Er drängte mich, weil er mich liebte. Weil er nicht wollte, dass jemals ein Mensch auf seinen Nachkommen herabblicken sollte. Und jetzt, mit der Zeit verspüre ich eher Segnung als Verbitterung. Anstelle von Zorn habe ich Absolution gefunden. Und anstelle von Revanche habe ich Aussöhnung gefunden. Und meine anfängliche Wut hat langsam dem Verzeihen Platz gemacht.
Nunmehr, vor zehn Jahren gründete ich eine Wohltätigkeitsorganisation namens ’Heal the World‘. Dieser Titel war etwas, das ich in mir gespürt habe. Ich habe kaum gewusst, was mir Shmuley später erzählt hat, dass diese beiden Worte aus den Prophezeiungen des alten Testamentes stammen. Glaube ich denn wirklich, dass wir diese Welt heilen können, die von Krieg und Völkermord geschüttelt wird, sogar heute noch? Und denke ich wirklich, dass wir unsere Kinder heilen können, dieselben Kinder, die ihre Schulen mit Waffen und Hass betreten und ihre Klassenkameraden niederschießen können, wie sie es an der Columbine getan haben? Oder dieselben Kinder, die ein wehrloses Kleinkind zu Tode prügeln können, wie in der tragischen Geschichte von Jamie Bulger? Natürlich glaube ich das, oder ich wäre heute Abend nicht hier. Aber das alles beginnt mit der Vergebung, denn um die Welt zu heilen, müssen wir zunächst einmal uns selbst heilen. Und um die Kinder zu heilen, müssen wir erst einmal das Kind in jedem einzelnen von uns heilen. Als Erwachsener und als Elternteil stelle ich fest, dass ich weder ganzer Mensch sein kann, noch ein Elternteil, fähig zu bedingungsloser Liebe, bis ich nicht den Geist meiner eigenen Kindheit zur Ruhe gebracht habe. Und das ist es, worum ich euch alle heute bitte. Erfüllt Sie das fünfte der zehn Gebote: Ehren Sie ihre Eltern, indem Sie sie nicht verurteilen. Räumen Sie Ihnen Verständnis in ihren Zweifeln ein. Deswegen möchte ich auch meinem Vater verzeihen und aufhören, ihn zu verurteilen. Ich will meinem Vater vergeben, weil ich einen Vater haben will, und dieser ist der einzige, den ich habe. Ich möchte die Last meiner Vergangenheit von meinen Schultern genommen haben, ich will frei sein, in eine neue Beziehung mit meinem Vater einzutreten, für den Rest meines Lebens, unbehindert von den Kobolden der Vergangenheit. In einer Welt angefüllt mit Hass, müssen wir uns weiterhin trauen zu hoffen.
In einer Welt angefüllt mit Verzweiflung, müssen wir uns weiterhin trauen zu träumen. Und in einer Welt angefüllt mit Misstrauen, müssen wir uns weiterhin trauen zu glauben. An all diejenigen von euch, die sich von Ihren Eltern im Stich gelassen fühlen: Ich bitte euch, eure Enttäuschung abzulegen. An all diejenigen von euch, die sich von Vater oder Mutter betrogen fühlen: Ich bitte euch, euch nicht selbst weiter zu betrügen. Und an all diejenigen von euch, die sich wünschen, ihre Eltern beiseite zu schieben: Ich möchte euch bitten, stattdessen die Hand nach ihnen auszustrecken. Ich bitte euch, ich bitte mich selbst, unseren Eltern das Geschenk der bedingungslosen Liebe zu geben, sodass sie von uns, ihren Kindern, lernen können, wie man liebt. So wird die Liebe endlich in dieser trostlosen und einsamen Welt wieder aufgebaut werden. Shmuley erwähnte mir gegenüber einmal eine alte biblische Prophezeiung, die besagt, dass eine neue Welt und eine neue Zeit kommen würden, wenn ‘die Herzen der Eltern durch die Herzen ihrer Kinder wieder erneuert würden’. Meine Freunde, wir sind die Welt, wir sind diese Kinder. Mahatma Gandhi sagte: “Die Schwachen können niemals vergeben. Vergebung ist ein Attribut der Starken.” Heute Abend, seid stark. Nehmt euch über das Starksein hinaus die größte aller Herausforderungen an: Den zerbrochenen Vertrag wieder zu erneuern. Wir alle müssen über die lähmenden Effekte hinwegkommen, die unsere Kindheiten im Leben hatten, und in Jesse Jacksons Worten: Vergebt einander, versöhnt euch und macht weiter. Diese Aufforderung zur Vergebung wird nicht weltweit zu Momenten führen wie bei Oprah, so dass sich Tausende von Kindern wieder mit ihren Eltern versöhnen, aber es wird zumindest ein Anfang sein, und das Ergebnis wird sein, dass wir alle so viel glücklicher werden.
Und so, meine Damen und Herren, schließe ich meine Ausführungen heute Abend mit Vertrauen, Freude und Aufregung.
Von diesem Tag an soll ein neues Lied ertönen.
Lasst dieses neue Lied der Klang von Kinderlachen sein.
Lasst dieses neue Lied der Klang von spielenden Kindern sein.
Lasst dieses neue Lied der Klang von singenden Kindern sein.
Und lasst dieses neue Lied der Klang von lauschenden Eltern sein.
Lasst uns gemeinsam eine Symphonie der Herzen schaffen, strahlend im Wunder unserer Kinder und sich in der Schönheit der Liebe sonnen.
Lasst uns die Welt heilen und ihren Schmerz zunichte machen.
Mögen wir alle wunderbare Musik gemeinsam machen.
Gott segne euch. Ich liebe euch alle.“
quelle: Michael Jackson 07.03.2001 Oxford
Original Speech